Kathrin I

Kathrin

– Hallo Kathrin

– Hallo

– Störe ich dich?

– Ja

– Was machst du denn die ganze Zeit?

– Ich mache den Abwasch. Lass mich in Ruhe.

– Wo ist dein Mann?

– Warum fragst du. Du weißt es doch.

– Er ist tot.

– Ja.

– Ermordet.

– Ja, das sagen die Leute. Geh jetzt.

– Wer hat ihn ermordet?

– Frag die Leute. Darüber rede ich nicht mit dir.

– Warum? Hast du ihn umgebracht?

– Wie gesagt: Frag die andern. Die wissen eh alles besser.

– Kathrin, hast du deinen Mann geliebt?

– Ja. Sehr.

– Du hast ihn nicht umgebracht.

– Nein. Und jetzt ist es genug. Geh.

– Drohst du mir?

– Geh.

– Du kannst mir nicht drohen.

– Pass auf, was du sagst!

– Du drohst mir ja.

– Wenn du jetzt nicht gehst, ist das nicht gut.

– Wohin soll ich gehen?

– Das ist deine Sache.

– Bist du gefährlich?

– Unterschätze mich nicht.

– Du bist doch nur eine Frau. Eine verwirrte Frau. Einsam. Ohne Mann.

– Ich bin auch eine schöne Frau. Oder etwa nicht?

– Darum bin ich ja hier. Deine Schönheit wirkt verführerisch auf mich.

– Geh endlich. Ich will dich nicht.

– Du hast ihn umgebracht. Es ist also wahr, was man sich so sagt.

– Er wollte nicht gehen.

– Du warst es.

– Nein, aber er wollte nicht gehen. Wie du. Erzähl das den andern.

– Singst du mir noch einmal das Lied der Liebe?

– Welches Lied? (Erstaunt, zu sich selbst:) Wovon er wohl spricht?

– Das Lied, welches du früher oft gesungen hast. Als du noch jung warst.

– Ich habe es vergessen.

– Ich nicht.

– Dann sing du es doch anstelle von mir.

– Ich kann nicht singen.

– Wie soll ich es dann singen können?

– Du bist die Sängerin.

– Ich habe die Melodie vergessen. Wenn du mich erinnern könntest?

– Wenn du gesungen hast, tanzte dein Körper. Dein volles Haar reichte dir damals bis zu deinen einladenden Hüften.

– Hatte ich einmal lange Haare? Auch das ist mir fremd.

– Du warst nicht immer geschoren.

– Wenn du es sagst.

– Bitte singe mir dein Lied.

– Wie gesagt, ich habe es vergessen. Sing doch selbst?

– Ich bin nur ein Mann.

– Na und? Das sagt nicht viel.

– Wenn ich ehrlich bin. Ich kenne dein Lied nicht.

– Es ist nicht mein Lied. Es ist das Lied des Sommers.

– Im Winter? Du willst mich nur verwirren.

– Nein. Du verstehst eines einfach nicht.

– Bist du bereits am singen?

– Es liegt an dir, das Lied zu hören?

– Und dann?

– Dann kannst du mit summen, wenn du magst.

– Nein, das will ich nicht. Ich bin der Mann. Sing mir dein Lied vor.

– Geh zu einer andern. Zu einer, die noch lange Haare hat bis zu den wippenden Hüften.

– Willst du mir wieder drohen?

– Erinnere dich an deine Vorgänger.

– Ist es wahr, was man sich von dir erzählt?

– Was?

– Du seist eine Hexe.

– Gekleidet in weisse Leinen? Ist das typisch für eine Hexe?

– Du bist keine gewöhnliche Hexe.

– Ich soll wohl eine besonders raffinierte Hexe sein. Eine getarnte Hexe. Das ist ja zum lachen. Wie kommen die überhaupt darauf?

– Weil du nicht nur das Lied der Liebe singen kannst. Das erzählt man sich jedenfalls im Dorf.

– Das ist normal. Es gibt viele Lieder.

– Die andern finden das nicht. Du hast uns alle verzaubert.

– Immer die andern. Alle verzaubert? Meinst du wirklich? Ja, was meinst du damit?

– Ich?

– Ja, du?

– Ist das wieder ein Trick von dir?

– Kaum. Hast du keine Meinung?

– Ich mache mir nicht so viele Gedanken. Ich wollte dich nur singen hören. Das ist alles.

– Aber merkst du denn nicht, dass du der Falsche bist?

– Gibt es hier richtig und falsch?

– Geh, lass mir mein Lied. Es ist nicht für dich gedacht.

– Für wen ist es gedacht?

– Für den, der es hören kann.

– Ich kann es hören.

– Nein.

– Wenn du singst, höre ich es bestimmt.

– Aber ich singe es schon die ganze Zeit.

– Du lügst.

– Es tönt immer zu aus mir heraus.

– Kathrin, du lügst.

– Wenn du meinst.

– Du enttäuscht mich.

– Das ist deine Sache. Damit will ich nichts zu schaffen haben.

– Es ist Zeit für mich. Ich gehe. Hexe, die du bist.

– Geh Olaf. Geh endlich.